In diesen Materialien für diskriminierungskritische Perspektiven an der Schnittstelle von Kunst und Bildung tauchen mitunter Begriffe wie »Gratwanderung« oder »Balanceakt« auf. Dass ich die diskriminierungskritische Bildungsarbeit in dieser Weise erlebe, hat etwas mit ihrer Komplexität zu tun und mit den Herausforderungen, die aus dieser Komplexität für mich entstehen. Zum Beispiel, die große Wirkmächtigkeit von Achsen sozialer Ungleichheit zu verstehen und gleichzeitig aufmerksam dafür zu bleiben, dass diese Achsen nicht alle Verhältnisse, nicht alles Verhalten vorbestimmen. Oder mit den Widersprüchen umzugehen, die daraus entstehen, dass ich in mehrfacher Hinsicht privilegiert bin und über symbolisches Kapital verfüge und gleichzeitig am Abbau der Machteffekte von Privilegien und an der Umverteilung von symbolischem Kapital arbeite. Oder zu erkennen, dass Eurozentrismus Gewaltverhältnisse begründet und Leerstellen in der Wahrnehmung, im Denken und in den Strukturen der Gesellschaft produziert, und gleichzeitig mit dem Ansatz der diskriminierungskritischen Lesefähigkeit zu arbeiten – ein Ansatz, der in der kritischen Pädagogik und damit in einem aus der europäischen Aufklärung stammenden Verständnis von Kritik und von Pädagogik verwurzelt ist. Oder müde zu sein angesichts der Unabschließbarkeit des diskriminierungskritischen Veränderungsprojektes und gleichzeitig zu erahnen, dass die Wahrnehmung dieser Unabschließbarkeit selbst ein Teil diskriminierungskritischer Veränderungsarbeit ist.

Auf den Innehaltenkarten traue ich mich, meine unfertigen Gedanken zu Herausforderungen in meinem eigenen diskriminierungskritischen Lernprozess zu teilen. Ich komme bewusst auf Fragen und Erfahrungen zu sprechen, die mich zum Zeitpunkt des Schreibens immer wieder verunsichern. Mein Wunsch wäre, dass Ihr die beschriebenen Herausforderungen bei der Lektüre mit Euren eigenen (Grenz-)Erfahrungen verknüpfen könnt. Auch besteht die Möglichkeit, sie auf die vielen Beispiele, die in den anderen Kartensets, in den Proben und Vignetten stecken, zu beziehen. Vielleicht entstehen daraus Gedanken und Diskussionen, die Ihr gerne festhalten möchtet. Vor allem aber hoffe ich, dass die Lektüre Euch dazu anregt, innezuhalten und in der Wahrnehmung der Komplexität von diskriminierungskritischer Arbeit an der Schnittstelle von Bildung und Kunst zu verweilen.

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