In der Datenbank findet Ihr viele Methoden, um die Herstellung und das Gelerntsein von sozialen Unterschieden zur Sprache zu bringen und um Ungleichheit entgegenzuwirken. Sie kommen zumeist aus der politischen Bildung; Ihr könnt Euch von ihnen für Eure Arbeit und Euer Studium an der Schnittstelle Kunst/Bildung anregen lassen. Manche lassen sich unverändert übernehmen und enthalten ihrerseits kunstpädagogische Elemente. Bei der diskriminierungskritisch perspektivierten Bildungsarbeit gibt es viele methodische Herausforderungen, zum Beispiel: Frage ich zu Beginn nach den Pronomen, stärke ich Transpersonen und nicht-binäre Personen. Gleichzeitig werden sie dadurch auch exponiert und möglichen Bemerkungen und Fragen von ignoranten und transfeindlichen Anwesenden extra zugänglich. Nicht zuletzt mache ich mich auch selbst verwundbar, ob als trans, nicht-binäre Person oder als verbündete Cis-Person. Frage ich dagegen nicht nach den Pronomen, verstärke ich unvermeidlich die dominante Heteronormativität und lösche die Existenz von Transpersonen symbolisch aus. Ich bestätige damit die Vorstellung, es gäbe nur zwei Geschlechter und entsprechende Pronomen, nämlich »er« und »sie«. Das möchte ich nicht. Vielleicht kommt es stärker auf das wie an, als auf das ob: Wie kann ich zusammen mit der Lerngruppe eine Atmosphäre schaffen, welche das stärkende Potential zur Entfaltung bringt und das Gewaltpotential minimiert?

Ein Dozent_innenteam begann einen Workshop für Erwachsene zu Techniken der Graphic Novel in einer VHS mit der Frage: »Wenn ich ein Gemüse wäre, welches wäre ich?« Das Beispiel wirkt hier beim Lesen auf manche von euch vielleicht unangemessen angesichts der wirkmächtigen Ungleichheitskategorie Geschlecht, die ich im vorherigen Abschnitt benannt habe. Das Beispiel gibt darauf keine zufriedenstellende Antwort. Aber die Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigten, dass sie die Unbestimmtheit dieser Einleitung als öffnend erlebten. Sie ermöglichte ihnen ein Kennenlernen, ohne die bestehenden Unebenheiten in der sozialen Topografie der Gruppe – in diesem Fall besonders entlang von Vorwissen, sozialer Herkunft, Rassifizierung – zu vertiefen. Sie erlaubte den Anwesenden, soviel von sich preiszugeben, wie sie für richtig hielten. Gleichzeitig trug sie zum thematischen Einstieg bei, denn in der Graphic Novel können alle Gegenstände Persönlichkeiten und Geschichten haben und Humor spielt öfter eine Rolle. Diese Begrüßungsrunde war in dem Workshop allerdings nur ein kleiner Knotenpunkt in einem Gewebe von weiteren Methoden zur Erzeugung von inspirierenden und diskriminierungssensiblen Lernatmosphären und -arrangements. Methoden wirken meistens im Verbund miteinander. Es kommt dabei auch auf die Art und Weise ihrer Verkörperung durch die jeweiligen Lehrenden an. In diesem Fall beispielsweise waren auch einige der Lehrenden, wie die Teilnehmenden, Arbeiterkinder und konnten womöglich durch ihre Art zu erscheinen, zu sprechen und sich zu bewegen – also durch ihre Verkörperung – mit zur Herstellung der offenen Atmosphäre beitragen. An dem Beispiel wird deutlich, dass sich ein Teil der Wirkung der Methoden unserer Kontrolle entzieht, weil viele Faktoren, die wir nur sehr bedingt oder gar nicht beeinflussen können, mit am Werk sind. Was allerdings immer möglich ist, ist, die Kontingenz, die Unverfügbarkeit als Bestandteil von Methoden zu verstehen und Unsicherheit zu benennen.

Anregungen für die Recherche
  • Habt Ihr schon vor schwierigen methodischen Entscheidungen gestanden? Tauscht Euch mit anderen über eure Erfahrungen und Lösungswege und über die Ambivalenzen aus, die dabei aufgetreten sind.
  • Kennt Ihr Methoden, um der Herstellung sozialer Ungleichheit in euren Lehr-Lern-Situationen zu begegnen? Vielleicht könnt Ihr diese sammeln, neue recherchieren und während des Übens einen allmählich wachsenden Methodenpool anlegen.
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