Als weiße und akademisch gebildete, diskriminierungskritisch informierte Lehrende, Forschende und Aktivist_in an der Schnittstelle von Bildung und Kunst erfahre ich meine Position als gleichzeitig stabil und fragil. Sie oszilliert zwischen viel symbolischem Kapital und der damit verbundenen Handlungsmacht einerseits und andererseits einer Zerbrechlichkeit, die aus Angriffen und Ausschlüssen entsteht. Hinzu kommt, dass ich nicht nur weiß und akademisch, sondern auch queer und fett* positioniert und in vielen Situationen mit Klassismus konfrontiert bin. Somit biete ich zusätzliche Angriffsflächen auf der Ebene meiner Subjektposition und der damit verbundenen Zuschreibungen.

Die Theoretikerin Sara Ahmed bezeichnet in ihrem Buch Living a Feminist Life (dt. Feministisch Leben) die Figur, welche von einer diskriminierungskritischen Haltung zur Dominanzgesellschaft hervorgebracht wird, als »feminist killjoy«, feministische Spaßverderber_in. Spaßverderber_in ist keine erwünschte Rolle. Wie umgehen mit der Abneigung und zuweilen auch Abwendung von manchen Freund_innen und Familienmitgliedern, die eine_n »zu empfindlich« finden, denen eine_r auf die Nerven geht, mit denen eine_r sich nicht mehr viel zu sagen hat? Wohin mit der Wut und der Verbitterung – der eigenen und derjenigen, die eine_r entgegenkommt? Mit der Zermürbung, die daraus resultiert, beständig als Problem und/oder als »Expert_in für Diskriminierungsfragen«, entweder ironisch oder als Alibi, adressiert zu werden? Wie klarkommen mit verhinderten Karrierechancen, mit Blockaden, weil eine_r wegen der diskriminierungskritischen Haltung als nicht kompatibel beurteilt wird? Gefühle wie Traurigkeit, Müdigkeit, Ohnmacht, die aus diskriminierungskritischer Arbeit resultieren, versteht die Spaßverderber_in als Bestandteile ihrer politischen Haltung: Diskriminierungskritische Spaßverderber_in zu sein bedeutet, bei Unbeschwertheit und Humor nicht um den Preis von Diskriminierung mitzumachen. Genauso wichtig ist es ihr aber, nicht dauerhaft in den negativen Gefühlen zu verharren und von ihnen gelähmt zu werden. Das Verharren im Frust kann auch zur Ausweichbewegung werden, zum Argument, die diskriminierungskritische Veränderungsarbeit sein zu lassen. Aber wie mit diesen Gefühlen und Zuständen umgehen? Aus der psychologischen Forschung heraus kursiert in den letzten Jahren der Begriff »Resilienz« in der öffentlichen Diskussion. Er meint die Fähigkeit, sich nach Erfahrungen von Gewalt, Trauma, Scheitern aus sich selbst heraus erholen zu können. Bestimmt bedarf die diskriminierungskritische Spaßverderber_in eines Vermögens zur Resilienz. Problematisch an diesem Ansatz ist, dass es dabei vor allem um die Selbstheilungskräfte des Individuums geht und nicht um die Veränderung sozialer Verhältnisse. Das gibt der Diskussion um Resilienz eine neoliberale Färbung: wir sollen uns bitte so schnell wie möglich reparieren und optimieren können, um noch besser in ungerechten Verhältnissen zu funktionieren – und wenn uns das nicht gelingt, ist das eben unser Problem.

Doch je mehr intersektionale Ausschlüsse bei einer diskriminierungskritischen Spaßverderber_in greifen, desto dünner ihre Pufferzone bei solchen Beschädigungen. In einer diskriminierungskritischen Perspektive müssen Selbstheilungskräfte daher in den Zusammenhang mit politischer kollektiver Organisierung und mit Sorge füreinander gestellt werden – im Sinne einer radikalen Resilienz. Hierzu sind auf dem Blog radicalresilience.noblogs.org vor kurzem ein Film und ein Zine zu finden, die mir Anregungen schenken. Und auch Sara Ahmed gibt mir Hinweise, wenn sie das Buch Feministisch Leben mit einem »Spaßverderber_innenmanifest« und einer Aufzählung von Überlebenstechniken beendet. Die Überschriften für die Überlebenstechniken lauten »Bücher«, »andere Spaßverderber_innen«, »Leben«, »Zeit«, »Erlaubnisscheine«, »Körper« und »Humor«. Solche Anregungen zeugen von einem politischen Verständnis von Sorge um sich selbst. Sie bestehen aus einer Mischung von individuellen und kollektiven Taktiken, immer verbunden mit der Reflexion sozialer Verhältnisse: das sich Verbinden und sich Zusammentun mit Denker_innen und Mitstreiter_innen; das Erholungsuchen bei dem, was eine_r im Leben lieb ist; den sorgfältigen Umgang mit und die genaue Wahrnehmung von den Körpern; zu üben, auch »Nein« sagen zu können, sich also bewusst zu entscheiden, welche Kämpfe eine_r führen will; sowie zu üben, Abstand zu nehmen, ohne empathielos zu werden.

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