Übung

Suchmaschine im Kopf

Minimaler Zeitbedarf: 30 Minuten

Stellt Euch die Ergebnisse vor, die Ihr erhalten würdet, wenn Ihr einen der folgenden Begriffe/Begriffskombinationen in die Bildersuche einer digitalen Suchmaschine eingebt: »Professor Kunsthochschule«, »Professorin Kunsthochschule«, »Museumsdirektor«, »Museumsdirektorin«, »Galerist«, »Galeristin«, »Kuratorin«, »Kurator«, »Künstlerin«, »Künstler«, »Kunstvermittlerin«, »Kunstvermittler«, »Kunstlehrer«, »Kunstlehrerin«.
Ihr würdet die ersten zwanzig Bilder miteinander vergleichen und Stichworte zu dem notieren, was Euch auffällt. Was meint Ihr, würdet Ihr aufschreiben? Notiert die ersten zehn Stichworte.
Wenn Ihr lieber zeichnet statt schreibt, fertigt eine Zeichnung vom imaginären Screenshot an.
Ihr könnt dafür gerne Euer Lerntagebuch benutzen.

Wenn Ihr in einer Gruppe arbeitet, könnt Ihr Euch die Ergebnisse gerne zeigen und sie vergleichend diskutieren. Achtet darauf: An welchen Stellen überschneiden sich Eure Vorstellungen und an welchen Stellen sind sie unterschiedlich? Woran könnten diese Überschneidungen und Unterschiede jeweils liegen?

Beachtet:

Bei dieser Übung geht es zunächst um die Bilder in den Köpfen. Führt eine Bildersuche im Internet erst durch, nachdem Ihr die Übung gemacht habt. Bedenkt bei einem Vergleich der Ergebnisse der Bildersuche im Kopf und der im Computer mit, dass benutzte Computer aufgrund von Vorinformationen Suchprofile ausbilden. So ist wechselseitig Eure Bildersuche im Kopf wahrscheinlich auch von den auf Euren Computern entstandenen Suchprofilen beeinflusst.

Übung

Übung Zuschreibungen verschieben

Minimaler Zeitbedarf: 60 Minuten

Fertigt ein Bild oder mehrere Bilder (z.B. eine Collage, digitale Montage, Aquarell, Cartoon …) an, auf dem/denen eine oder mehrere Vertreter_innen der oben genannten Berufe zu sehen sind – jedoch ganz anders als die Ergebnisse aus der imaginären und der digitalen Suchmaschinen vermuten lassen. Verändert bewusst eine oder mehrere der auf der Vorderseite dieser Karte aufgeführten Kategorien sozialer Unterscheidung. Beobachtet bzw. diskutiert (alleine oder in der Gruppe) Eure Emotionen beim Betrachten der Ergebnisse: Welcher Anblick wird von wem und warum als stärkend, erfreulich, ermutigend, trotzig, provokant … erlebt? Was für Verunsicherungen und Widerstände tauchen beim Herstellen und beim Betrachten der Bilder auf?

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Um Privilegiertheit wahrnehmen zu können, finde ich das Habitus-Konzept des Soziologen Pierre Bourdieu hilfreich (vgl. zur Einführung Beate Krais/Günter Gebauer: Habitus oder den Talk Class trouble: Check your habitus mit Elisa Aseva, Francis Seeck, Senthuran Varatharajah und Daniela Dröscher und das Hörspiel Mit geballter Faust in der Tasche Teil 1, eine Lesung über Normen der Mittelschicht in der Linken). Und zwar insofern, als dass sich Privilegiertheit in den Körper einschreibt, damit performt (vgl. dazu Nora Landkammers Text zu Performativität) und somit sichtbar, hörbar, fühlbar und schmeckbar wird.

Ein Beispiel dafür ist die Debatte um »Manspreading« – wie viel Raum männlich sozialisierte Körper im öffentlichen Raum einnehmen, z.B. durch breitbeiniges Sitzen. Eine erhellende Erfahrung dazu habe ich beim re-enactment eines Vermittlungsexperiments zu Marianne Wex’ Arbeit Weibliche‹ und ›männliche‹ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse gemacht (vgl. dazu weiter unten zu Nanna Lüth und Milena Thun and Almuth Baer). Ein anderes Beispiel, das ich im Zusammenhang mit der (körperlichen) Erfahrbarkeit von Privilegiertheit, wegweisend finde, waren die Man for a Day-Workshops von performance artist Diane Torr. Wie sich Klasse in den Körper einschreibt, zeichnet Andreas Kemper im Text Klassenkörper nach, und Annie Ernaux liefert dazu die Prosa. Für den schulischen Kontext fand ich diesbezüglich den Text Lernen und seine Körper des Sportsoziologen Thomas Alkemeyer wichtig.

Das Wahrnehmen von Privilegiertheit geht folglich auch mit dem Wahrnehmen eigener (physischer) Grenzen und (physischer) Grenzen anderer einher – um dies erfahrbar zu machen, finde ich die Übungen aus dem Arbeitsbuch Grenzen setzen! von LesMigras hilfreich.

Wie Privilegiertheit – gerade in der Kulturellen Bildung – als stabile Währung in Aushandlungen unterschiedlicher Kapitalsorten einfließt, wer also in der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Theatern etwas zu gewinnen hat und wer nicht, macht Carmen Mörsch in ihrem Beitrag Darüber hinaus zum Modellprojekt JUMP & RUN deutlich. Wie man sich in die sattsame Privilegiertheit von Hochkultur reinreklamieren kann, schildern Ahmed Shah und Nils Erhard vom damaligen JugendtheaterBüro Berlin, das inzwischen Theater X heißt, am Beispiel ihrer Intervention »Mind the Trap« beim Deutschen Theater in ihrem Text Lost in Vermittlung? KulTür auf!

Ein Fokus meiner bisherigen Beschäftigung mit Privilegiertheit liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit meinem weißsein. D.h. dass sich in der Lernstation dazu entsprechende Lücken bzgl. anderer Diskriminierungskategorien zeigen. Besonders prägend war hierzu ein Workshop zu Critical Whiteness, den Julia Lemmle 2016 im Rahmen der KontextSchule durchgeführt hat. In diesem wurde mir deutlich, wie wichtig die Arbeit an und mit Emotionen im Zusammenhang mit Privilegiertheit ist (vgl. dazu den Text von Jule Bönkost: Normalisierung weißer Emotionen als Strategie rassismuskritischer Bildungsarbeit).

Julia Lemmle hat in der Vorbereitung auf den Workshop weitgehend auf akademische Texte verzichtet und stattdessen poetische, essayistische und journalistische Textsorten gewählt, von denen ich einige hier teile. Dies hat dazu beigetragen, dass die Auseinandersetzung von Anfang weniger Raum für eine analytische Distanznahme bot, eine Form des Widerstands, wie Lemmle sie in ihrem Text I am a white academic feminist – I’ve got no reasons to cry ausführt. Die Autorin verweist auf die fünf Phasen in der selbstkritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen weißsein, auf die sie wiederum durch die Lektüre des Buchs plantation memories von Grada Kilomba aufmerksam wurde. Eine dieser Phasen ist die der Scham. Mögliche Umgangsweisen mit Scham bietet Sannik Ben Dehler im Band: Scham umarmen. Wie mit Privilegien und Diskriminierung umgehen? in Form von Übungen an. Idil Baydar alias Jilet Ayşe bringt weiße Privilegiertheit in ihrem kurzen Video #WhitePrivilege auf den Punkt, wie ich finde. Beim Betrachten des Videos wurde für mich und andere weiße Menschen das Unbehagen spürbar, das das Wahrnehmen eigener Privilegiertheit oft begleitet, und das sich in den von Gilroy formulierten Abwehrstrategien manifestiert.

Dass Privilegiertheit in aktuellen medialen Debatten als neue Unterdrückung reklamiert wird, kritisiert Hengameh Yaghoobifarah in der taz-Kolumne Habibitus.

Den Bezug zu Pädagogik und Privilegien stellen Katharina Debus und Jule Bönkost und Regina Richter in ihren Texten Methodenkonferenz Privilegientest (Debus), weiße Privilegien in der Schule (Bönkost), und Kritisches Weisssein in der Bildungsarbeit – wie rassismuskritisch umgehen mit der eigenen Rolle als weiße Lehrperson? (Richter) her.

Die Bedeutung von Empowerment und Powersharing als Teile ein und derselben Medaille bei der diskriminierungskritischen Beschäftigung in pädagogischen Settings wurde mir in verschiedenen Workshops, u.a. denen vom Institut für diskriminierungsfreie Bildung, deutlich (vgl. die Interviews mit den beiden Institutsleiterinnen Josephine Apraku: Rassismus nach Lehrplan (2015) und Jule Bönkost: Oh, ich bin ja weiß (2020)) Privilegiertheit wahrgenommen habe ich hier an der Selbstverständlichkeit, mit der ich in Vermittlungssituationen von einem weiß dominierten Raum ausgehe, weshalb ich Angebote zum Powersharing wie selbstverständlich als Teil der Auseinandersetzung mitdenke, während ich immer wieder vergesse, auch Räume für Empowerment zu schaffen. Josephine Apraku und Jule Bönkost arbeiten am Beispiel der Kategorie Rassismus konsequent mit Wirkweisen von und Handlungsoptionen für eine Kritik an Rassismus, wobei sie verschiedene Ebenen unterscheiden: Die individuelle, die institutionelle und die strukturelle und darauf hinweisen, dass die eigene Bildungsarbeit sowohl Anteile von Empowerment als auch von Powersharing enthalten sollte. Ähnlich arbeitet dissens e.V., wobei ich bei Workshops mit Katharina Debus u.a. die verschiedenen Ebenen im Hinblick auf die Kategorie Geschlecht kennengelernt habe. Katharina Debus und Vivian Lehmann unterscheiden dabei individuell, interaktiv, institutionell, kulturell und strukturell und verwenden dafür das Bild eines Zahnrads (wobei sie sich mit diesem wiederum auf die Arbeit von ABqueer beziehen). Ausführlicher werden Empowerment und Powersharing im gleichnamigen Band von Birgit Jagusch und Yasmine Chehata und im Text Powersharing: Was machen mit Macht?! von Natascha Salehi-Shahnian beschrieben.

Silvia Gegenfurtner hat einen audismuskritischen Workshop in den Sophensælen in Berlin verantwortet, der sich mit dem Privileg zu hören beschäftigt.

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