Unter »Methoden« verstehe ich hier die Mischung aus Praktiken und Konzepten, mit denen wir die Arbeit an der Schnittstelle von Bildung und Kunst verwirklichen. In der Alltagssprache genauso wie in einem positivistischen Wissenschaftsverständnis suggeriert der Begriff, es gäbe klar bestimmbare, systematische Vorgehensweisen, die zuverlässig und nachprüfbar zu einem Ergebnis führen, das als wahr respektive richtig gelten kann. Wenn ich mir dagegen die Wortherkunft anschaue, scheint es bei »Methode« eher um ein der Vielschichtigkeit der Wirklichkeit Hinterher-Laufen, um ein Noch-nicht-am-Ziel-Sein zu gehen. Der Begriff kommt aus dem griechischen μέθοδος (méthodos) und setzt sich zusammen aus μετά (metá) »hinter, nach« und ὁδός (hodós) »Weg«. Genauso prozesshaft und ungewiss erlebe ich das Ausprobieren und die Reflexion von Methoden in diskriminierungskritischer Perspektive.

Die Herstellung sozialer Ungleichheit findet die ganze Zeit statt; auch in den Räumen, in denen wir lehren und lernen. Sie lässt sich durch informiertes methodisches Handeln nicht für immer abstellen. Aber ein solches Handeln ermöglicht, Ungleichheit zur Sprache zu bringen und dagegen zu arbeiten; es ermöglicht, zu sensibilisieren und Betroffene zu stärken. Diskriminierungskritische Methoden an der Schnittstelle von Kunst und Bildung müssen nicht zwingend thematisch orientiert sein. Sie können sich auf vielerlei Weise zeigen – zum Beispiel bei der Recherche und Auswahl von Werken und Autor_innen, bei der kritischen Verwendung von existierenden Lehrmitteln, bei den Sprechweisen, mit denen wir anleiten und rückmelden, bei unserem eigenen Aussehen und Auftreten als Lehrende und Lernende, bei unserem Umgang mit den unterschiedlichen Körpern und mit unterschiedlichen Voraussetzungen, die Beteiligte in eine Lehr-Lernsituation mitbringen, bei der Interpretation des Verhaltens und Einschätzung der Fähigkeiten von Lernenden oder bei der Bewertung von Ergebnissen. Das Vermittlungskollektiv trafo.K aus Wien ist für mich ein besonders anschauliches Beispiel, wie die gerade genannten Aspekte die Methoden informieren können.

Dabei gibt es keine Erfolgsgarantie, denn die Schnittstelle Kunst/Bildung ist von Kontingenz und Komplexität geprägt. Fehlerfreundlichkeit und auch die Bereitschaft zum Aushalten von Ambivalenzen und Differenzen sind unverzichtbare Grundlagen für die Methodenentwicklung in einer diskriminierungskritischen Perspektive. Gleichzeitig ist Scheitern kein Selbstzweck. Es gibt interessantes Scheitern, auf einer informierten Basis, als Teil eines Lernwegs, der durch Widersprüche und Konflikte geprägt ist. Und es gibt Scheitern aufgrund von »belohnter Ignoranz«, das Gewaltverhältnisse wiederholt – zum Beispiel, indem Erkenntnisse auf Kosten marginalisierter Lernender erarbeitet werden, in dem diese zur Veranschaulichung gegen ihren Willen hervorgehoben werden. Es ist beispielsweise ein Kind türkischer Eltern nicht automatisch eine Expert_in für Teppiche, wie Kunstpädagog_innen zuweilen anzunehmen scheinen. Methoden sollten sich also daran beurteilen lassen können, auf welche Weise sie von den Indikatoren diskriminierungskritischer Lesefähigkeit, wie sie im Set »Lesen Lernen« vermittelt wurden – inklusive dem Willen zur Veränderung –, informiert sind. Aus von Diskriminierung betroffener Perspektive ist es zudem notwendig, Methoden nicht nur auf die Lernenden auszurichten, sondern mit zu bedenken, wie man sich als Lehrende vor den Effekten struktureller Gewalt – zum Beispiel vor dem energetischen Ausbrennen durch zusätzliche emotionale Arbeit – schützen kann. All dies lässt erahnen, dass es notwendig ist, sich für Methoden Zeit zu nehmen: Für die Reflexion des eigenen künstlerisch-pädagogischen Handelns, zur Verarbeitung und Aufzeichnung von Erfahrungen, für Beratung, Austausch, Weiterbildung. Zeit, um eigene Wege der Methodenentwicklung zu finden. Denn das ist ein weiterer positiver Aspekt am Begriff »Methode«: Er verweist darauf, dass ein erweitertes Handlungsspektrum lernbar ist – dass es Wissen und Erfahrungen gibt, an die wir anknüpfen, auf denen wir aufbauen können: Nachmachen und Wissen teilen erwünscht!

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